Es war einmal ein junges Pärchen – das sind wir, Ute und Ecke. Wir bekamen eine süße kleine, wunderschöne Tochter geschenkt – ein absolutes Wunschkind. Wir nannten sie Viktoria. Sie war so goldig, daß sie alle Menschen um sie herum mit ihrer Ausstrahlung verzauberte.
Das erste Jahr verging wie im Flug und wir waren eine glückliche kleine Familie, die zusehen durfte, wie Viktoria die Welt um sich herum entdeckte. Viktoria war kerngesund, nie hatte sie auch nur eine Kleinigkeit.
Im zarten Alter von nur elf Monaten erkrankte Viktoria an der genetisch bedingten Form von Hämophagozytischer Lymphohistiozytose (HLH). Es handelt sich dabei um eine sehr seltene, sehr schwer verlaufende Autoimmunerkrankung, bei der das Immunsystem Amok läuft und den eigenen Körper schädigt.
Der Ausbruch der Krankheit konnte zwar unter Kontrolle gebracht werden, jedoch hinterließ er tiefe Spuren. Unsere Tochter war nicht mehr dieselbe – sie erlitt eine schwere Hirnschädigung, konnte sich kaum noch bewegen, nichts mehr zu sich nehmen und nahm nicht mehr viel von ihrer Umgebung wahr. Sie war gefangen in ihrem eigenen Körper.
Unser Leben änderte sich schlagartig und wurde von dort an von Verzweiflung, Angst und Hoffnung bestimmt. Ärzte, Krankenschwestern, Operationen, Schläuche, Kabel, Spritzen, Medikamente. Es war schrecklich. Dann noch der Schlag ins Gesicht: Von der schulmedizinisch indizierten „Heilung“ in Form einer Stammzelltransplantation wurde uns dringend abgeraten. Viktoria würde die Prozedur wohl nicht überleben und falls doch, würden wir wahrscheinlich noch mehr von ihr verlieren. Das war für uns keine Option.
Während des folgenden Jahres erholte sich Viktoria wieder etwas. Wir konnten sie mit nach Hause nehmen, sie begann wieder zu essen und mit den Beinen zu strampeln. Doch der große Durchbruch blieb aus. Stets schwebte das Damoklesschwert eines neuen Krankheitsschubs über uns.
Ein Jahr nach dem ersten Ausbruch der Krankheit ist Viktoria von uns gegangen – man konnte es absehen und doch kam es überraschend. Sie schlief ganz friedlich in unseren Armen ein. Es war kein Schub ihrer Krankheit, kein Todeskampf. Sie wollte einfach gehen.
Dieser Blog ist Viktoria gewidmet. Er erzählt die Geschichte ihres kurzen Gastspiels auf der Erde von Beginn ihrer Krankheit an im Mai 2011. Es ist eine sehr heftige Geschichte – ungeschönt, ehrlich, mitten aus dem Leben. Dieser Blog ist in Tagebuchform verfaßt. Er wurde ursprünglich ins Leben gerufen, um Angehörige und Freunde auf dem Laufenden zu halten. Doch wir denken, daß die Geschichte unserer Tochter und ihrer Eltern noch andere Menschen interessieren könnte – und sie auf ganz eigene Weise berühren wird.
Man könnte meinen, daß die Geschichte mit Viktorias Tod endet, doch sind wir der Meinung, daß diese gerade erst begonnen hat. Viktoria hat für uns alle etwas hinterlassen und wir werden hier immer wieder etwas Neues veröffentlichen, was irgendwie einen Bezug zu ihr hat – und seien es nur aus dieser Erfahrung gewonnene Gedanken.
Über ehrliche Kommentare (im Gästebuch oder unter den Artikeln) freuen wir uns stets.