Buch: Den Himmel gibt’s echt

Der Untertitel ist Programm: „Die erstaunlichen Erlebnisse eines Jungen zwischen Leben und Tod“. Es wird die Geschichte des vierjährigen Colton Burpo und seiner Familie erzählt. Ein zu spät diagnostizierter Blinddarmdurchbruch führt beinahe zum Tod des kleinen Bubs. Die Gebete seiner Mutter und seines Pastorenvaters werden erhört. Wie durch ein Wunder und entgegen der ärztlichen Prognosen erholt sich Colton und wird wieder vollständig gesund. Erst nach einigen Monaten bemerken die Eltern, daß ihr Sohn etwas außergewöhnliches erlebt haben muß, denn er behauptet im Himmel gewesen zu sein, auf Jesus‘ Schoß gesessen zu haben und weiß von Dingen, die er eigentlich gar nicht wissen kann.

Der kleine Colton hatte ein Nahtoderlebnis und ein sehr schönes noch dazu. Die Geschichte und deren Präsentation finde ich sehr glaubhaft und echt. Es ist schön, davon zu lesen, was uns nach dem Tod erwartet. Nicht so schön finde ich die christlich-fanatische Färbung, die sich durch die gesamte Erzählung hindurchzieht. Colton wurde von seinem Pastorenvater und seiner ebenfalls stark religiösen Mutter anscheinend schon während seiner ersten Lebensjahre ausgiebig mit dem Jesus-Personenkult der evangelischen Kirche geimpft. Das äußert sich natürlich in seinen Beschreibungen, was er während seines Besuchs auf der anderen Seite erlebt hat, aber auch in seiner – wie ich finde – echt bedenklichen Einstellung, was das Thema Himmel und Hölle angeht. Ganz deutlich wird das, als Coltons Vater mit ihm über einen Sterbefall in der Gemeinde spricht und sein Sohn vom ihm beinahe panisch versichert haben möchte, daß dieser Mensch „Jesus im Herzen hatte, damit dieser auch in den Himmel kommen könne.“ Denn ohne Jesus im Herzen würde das nicht gehen. Dem Jungen kamen sogar die Tränen, so wichtig war ihm das!

Ich zweifle nicht die Echtheit von Coltons Reaktion an. Tränen lügen nie. Der Junge hatte echte Sorge um diesen Menschen. Was mir aber keiner weißmachen kann ist, daß er diese Ansicht durch sein Nahtoderlebnis erlangt hat! Der Vater beteuert im Buch an mehreren Stellen, daß er nie direkt mit seinem Sohn über diesen Punkt seines Glaubens gesprochen habe. Das war aber auch gar nicht notwendig, denn Kinder lernen sowieso nicht das, was die Eltern predigen, sondern das, was sie vorgelebt bekommen. Und da sich ein Pastor täglich mit religiösen Dogmen beschäftigt und diese auch lebt, färbt das natürlich automatisch auf seine Kinder ab. Und das zentrale Dogma der evangelischen Kirche ist nunmal, daß man direkt zur Hölle fährt, wenn man nicht „Jesus im Herzen“ hat.

In diesem Buch wird eine echt schöne Geschichte erzählt, aber mir geht diese teils unterschwellige und teils auch sehr direkte Missionierung tierisch auf den Sack! Natürlich wird der Pastor durch die Ausführungen seines Sohnes noch in seinem Glauben bestärkt, denn er hat zu allem, was der Junior erzählt eine passende Bibelstelle parat. Aber daß der Junge sein Erlebnis nur durch die Mittel, die er quasi mit der Muttermilch aufgesogen hat, interpretieren kann, auf diese Idee kommt er natürlich nicht.

Insgesamt hat mich die Ehrlichkeit des Autors aber doch positiv überrascht. Zitat:
„Wie oft hatte ich, wenn ich Beerdigungen zu halten hatte, von den Trauernden die üblichen Plattitüden gehört: ‚Sie ist jetzt an einem besseren Ort‘, oder ‚Wir wissen, daß er jetzt auf uns hinabschaut und lächelt‘, oder ‚Du wirst ihn wiedersehen.‘ Natürlich, ich glaubte all das – theoretisch. Aber ehrlich gesagt konnte ich es mir nicht vorstellen.“
Das spiegelt für mich wunderbar das Dilemma fast aller sich als religiös bezeichnenden Menschen wider. Sie kennen ihren Glauben lediglich aus der Theorie heraus und versuchen krampfhaft an diese Theorie zu glauben. Doch eigentlich sind es ganz, ganz große Heuchler! Sie spielen nach Außen die frommsten Menschen, doch in ihrem Inneren werden sie von ihren Zweifeln und von einer inneren Zerissenheit dominiert, denn Ihnen fehlt die Erfahrung darin! Sie hatten kein eigenes Erlebnis mit Gott! Doch ich frage mich, wenn sie dieses nicht hatten, wie sollen sie dann anderen Gott näherbringen?!

Das ist in etwa so, als wolle ein Gynäkologe, der sich lange und intensiv mit Schwangerschaften beschäftigt und die Theorie bis ins kleinste Detail kennt, einer Frau vermitteln, wie es ist, schwanger zu sein. Gut, daß das nicht seine Aufgabe ist, denn der Mann hätte nicht die geringste Chance. Selbst ein eigenes Erlebnis weiterzugeben, ist schon äußerst schwierig und nur bis in eine gewisse Tiefe möglich. Aber wenn man selbst keinerlei Erfahrung auf einem Gebiet gemacht hat und dann sein antrainiertes, kopfiges „Wissen“ vermitteln möchte, wird es eigentlich ziemlich lächerlich.

Der kleine Colton hatte ein echtes göttliches Erlebnis und zeigt seinem Vater ganz deutlich, was der Unterschied zwischen Glaube und Wissen ist. Der Sohn weiß, was er erlebt hat – der Vater glaubt nur zu wissen. Nur um das klarzustellen: Es geht nicht um be-weisen! Von außen betrachtet kann man bestimmt auch genug Gründe finden, um nicht an die Geschichte seines Himmelsbesuchs zu glauben. „Beweise“ gibt es nicht. Aber wenn wir mal genauer hinsehen, gibt es die nie! Für nichts, nein, rein gar nichts, auch nicht in der Wissenschaft!

Fazit: Eine nette Geschichte – leider christlich-dogmatisch präsentiert. Wenn man sowieso ein Problem mit der christlichen Missionierung hat, sollte man besser auf die Lektüre dieses Buches verzichten. Wenn man diesen Teil ausblenden kann (oder ihm sogar zustimmt), ist das aber ein ganz schönes Buch.


2/5 Sterne

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