Sonntag, 21.8.2011

Viktoria ist heute deutlich weniger unleidlich. Das dauerhafte Weinen und Schreien ist einem angestrengten Jammern und Nölen gewichen. Sie schreit nur noch selten, z.B. wenn sie gewickelt oder gewaschen wird. Ob das der osteopathischen Behandlung zu verdanken ist?!

Auffällig ist noch immer, daß sie sofort herzzerreißend zu weinen beginnt, wenn man ihren Kopf bewegt. Wir gewinnen den Eindruck, daß sie Nackenschmerzen hat. Nackensteifheit ist auch eine Begleiterscheinung der HLH.

Dr. M. und Dr. E. schauen vorbei. Viktorias Blutwerte sind gut. Thrombos, Erythros und Leukos sind fast normal, die für die HLH wichtigen Indikatoren (löslicher Interleukin-2-Rezeptor, Ferritin, Fibrinogen), die man einmal wöchentlich bestimmt, sind auf dem Rückzug. Dennoch kann man noch nicht von einer Remission der HLH sprechen, der Weg sei aber der richtige. Man strebt an, Viktoria in ca. zwei Wochen in der Uniklinik Tübingen vorzustellen, um deren Urteil einzuholen.

Die Therapie geht ab kommender Woche in die Erhaltungsdosierung über, die bis zur Knochenmarktransplantation aufrecht erhalten werden muß. Das Kortison wird nun nur noch – beginnend am morgigen Montag – alle 14 Tage an drei aufeinanderfolgenden Tagen verabreicht, allerdings in einer etwas höheren Dosis. Beim VP-16 ist man ja bereits bei einem 14-tägigen Rhythmus. Das Cyclosporin muß unvermindert weitergegeben werden, die Antibiotika und Antimykotika kann man demnächst reduzieren oder auch ganz absetzen.

Auf Nachfrage, was denn nun diese unterschiedlichen Aussagen zum EEG zu bedeuten haben, wird deutlich, daß man es einfach nicht weiß. Man weiß: Es gibt Spikes und Viktoria zuckt. Natürlich ist auch jedesmal im EEG ein Ausschlag zu sehen, wenn sie ihre Muskeln bewegt – ob willkürlich oder unwillkürlich. Das ist aber zu erwarten, weil dieser elektrische Impuls alles andere überwiegt. Man kann nun zwar nicht mit Sicherheit sagen, daß die Spikes die Zuckungen auslösen, man sieht jedoch auch Spikes, ohne daß es zu Muskelaktivität kommt. Auch die Vermutung, daß die Zuckungen im Stammhirn verursacht werden, ist reine Spekulation. Wir bekommen den Eindruck, daß die Neurologie eine sehr unscharfe Disziplin ist, bei der jede Menge Spielraum für Interpretation herrscht. Wie dem auch sei, die Medikationsänderungen an den Krampfmedikamenten dienen jedenfalls dazu, diese Spikes bzw. Zuckungen loszuwerden.

Man will kommende Woche ein weiteres MRT durchführen. Da Ecke den Sinn zu diesem Zeitpunkt in Frage stellt und wir Viktoria nicht schon wieder sediert und intubiert sehen wollen, überrascht uns Dr. M. mit einem Kompromiß. Es geht den Ärzten hauptsächlich darum zu untersuchen, wie sich das Hygrom entwickelt hat. Dafür reiche ein Schnell-Scan von ca. fünf bis zehn Minuten. So lange könne man Viktoria auf Mamas Bauch liegend in die Röhre schieben, ohne daß sie betäubt und beatmet werden müsse. Das klingt schon viel besser.

Ein weiteres Stück Normalität kehrt zurück. Aufgrund des Keims darf Viktoria zwar nicht auf dem Stationsflur herumgeschoben werden, aber wir dürfen ab jetzt öfter mal ganz nach draußen in den Klinikgarten. Frische Luft, das Fahren im Kinderwagen und die Geräuschkulisse tun ihr sichtlich gut.

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