Die Nacht war mies. Viktoria war drei Stunden nur am Brüllen, total panisch. Ihre Anspannung ist noch immer nicht besser geworden.
Auch nach dem Aufstehen hat sich das nicht wesentlich gebessert. Sie atmet schnell und flach, wenn auch nicht mehr so stoßartig wie noch die Tage zuvor. Die rechte Hand hat wieder einen leichten Tremor, einzelne starke Zuckungen sind nach wie vor zu sehen. An Essen ist nicht zu denken, sie bekommt Müsli sondiert.
Die Kinderärztin Dr. M., die zur routinemäßigen Blutentnahme vorbeikommt, zeigt sich äußerst besorgt. Sie empfiehlt uns eine Einweisung in die Klinik. Da auch wir durchaus sehen, daß es Viktoria schlecht geht, sind wir nicht abgeneigt. Jedoch stellt sich die Frage: Was tun die Götter in Weiß, wenn wir mal da sind?! Ein MRT? Und dann? Nochmal ins Koma?! Kommt nicht in die Tüte! Also? Vorschläge?
Es wird viel telefoniert und die Olga-Ärzte empfehlen, ein EEG schreiben zu lassen. Wir fahren also nach Pforzheim in die Kinderklinik. Viktoria schläft unterwegs ein und läßt sich auch durch den Transfer in die Aufnahme nicht wecken. Selbst während das EEG geschrieben wird, ist sie nur kurz wachzukriegen, es reicht immerhin für ein paar Sekunden fürs Protokoll.
Während wir auf das EEG-Ergebnis warten, trudeln die Ergebnisse der Blutentnahme von heute morgen herein. Sie sind nur teilweise erfreulich. Das Blutbild ist deutlich besser als letzte Woche (Hb 10,8; Leukos 4600), jedoch ist der il-2 weiter gestiegen auf nunmehr 2500, wobei das Ferritin mit 32 weiterhin im Normbereich verbleibt. Der gestiegene il-2 macht den Ärzten wie auch uns Eltern große Sorgen. Scheinbar sind die dreiwöchigen Abstände zwischen den Chemotherapien doch zu lange, wir werden diesen Donnerstag wieder nach Stuttgart fahren müssen. Ernüchternd.
Nach einigem Warten dann das Ergebnis des EEG. Es zeigt keinerlei Krampfpotentiale, Null Komma gar nichts. Auch sonst (Abhören der Lunge, Tasten des Bauches) sind keinerlei Abnormitäten festzustellen. Da wir keinen Bedarf haben, uns dort einzuquartieren, fahren wir wieder nach Hause.
Viktoria hat die ganze Aktion verschlafen. Aber kaum sind wir im Auto, wacht sie auf und spannt sich wieder an. Es ist nicht mehr so schlimm, wie die Tage zuvor, aber von „gut“ ist das noch weit entfernt. Auch als wir wieder daheim sind, ist sie sehr angespannt und schreit und strampelt viel – wenn auch nicht ununterbrochen. Die Atmung ist jedoch deutlich besser als gestern, die Schnappamtmung ist weg. Sie schnauft aber noch schnell und flach. Das Geschrei erinnert auch etwas an Kortisongebrüll. Da müssen wir eben durch.
Gegen Abend wird es anders. Ganz anders! Wieder was Neues! Sie liegt da und schreit. Immer nur einmal. Und immer mit mehrsekündiger Pause. Dazu strampelt sie mit den Beinen. Der Blick sieht wach aus, aber sie starrt eher in eine Richtung. Das geht einige Stunden so! Sie ist bereits sichtlich erschöpft, doch sie denkt nicht daran, aufzuhören. Auch als sie sehr müde ist, führt sie ihr Verhalten mit geschlossenen Augen und größeren Pausen zwischen den einzelnen Schreien fort. Dazu bewegt sie sich immer wieder leicht, der Mund steht ständig offen. Sie scheint sich zu beschweren! Aber weswegen?!
Irgendwann gewinnt der Schlaf dann doch die Oberhand. Uff… endlich.
Wir erhöhen das Baclofen wieder auf 3x5mg. Das erscheint uns sinnvoll, denn ihr Nacken bzw. Kopf ist einfach viel zu fest und auch die Arme sind aus ihrer Streckhaltung nur schwer zu lösen.
Sie hat noch immer Mundgeruch.
Heute wird Viktoria zum ersten mal gekämmt. Ihre Haare sind nun endlich lang genug, um sich zu verhuddeln. Sie ist so ein hübsches Mädchen.
Es ist nun genau ein halbes Jahr her, seitdem wir mit Vikoria wieder daheim sind. Zum Rückblick oder zur Besinnung bleibt aber wenig Zeit, Viktoria fordert uns alles ab.